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Welches Leben im Alter ist lebenswert: Alle wollen alt werden, keiner will es sein! Den Satz kennen wir alle.

Im Zusammenhang mit meinem Kinodokumentarfilm „Ü100" (2017), in dem acht Hundertjährige über ihren Lebensalltag erzählen, wurde und werde ich immer noch von Zuschauern oder Journalisten gefragt, ob das Leben in so einem hohen Alter denn überhaupt lebenswert sei, ob es also wünschenswert sei, so alt werden zu dürfen.

Für manche zeigt sich allein in so einer Frage die „Abwertung" des Alters, eine eklatante Altersdiskriminierung. Eine Darstellerin in meinem Film liegt seit einem Jahr nur im Bett und kann diesem Leben etwas abgewinnen.

Wenn dann manche noch betonen, dass medizinische Versorgung von hochbetagten Menschen viel Geld kostet, wird auf diese Weise sogar das Lebensrecht Hochaltriger in Frage gestellt. Ganz aktuell erregte der Grünenpolitiker Boris Palmer großen Ärger mit seiner Äußerung in Corona-Zeiten: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." und damit sind natürlich vorwiegend hochaltrige Menschen gemeint.

Wir alle, jedenfalls ganz bestimmt die meisten von uns, bringen hochaltrigen, alten Menschen Respekt entgegen.

Aber fragen wir uns einmal ganz selbstkritisch: Wie alt möchten Sie werden? Was wäre Ihre gewünschte maximale Lebensdauer? Die meisten Menschen haben da schon eine Zahl im Kopf.

Wenn Sie sich aber dann fragen, ob Sie auch genauso alt werden wollen, wenn Sie unter einer Krankheit, Gebrechlichkeit oder Pflegebedürftigkeit leidet, dann sieht die Sache schon ganz anders aus: Dann antworten nämlich 80% mit einem klaren NEIN, dann ist die gewünschte Zahl nicht mehr erstrebenswert.

Der Wunsch an ein längeres Leben ist eindeutig an die Bedingung „nur bei guter Gesundheit" geknüpft. Das hat man erforscht.

Den Schluss, den Wissenschaftler daraus ziehen, ist: Ein Leben in Krankheit oder schwerer Abhängigkeit wird als lebensunwürdig eingestuft.

Junge wie alte Menschen wollen auch nicht mehr weiterleben, wenn sie im Koma liegen, ihre Denk- oder Kommunikationsfähigkeit verlieren, chronische Schmerzen oder den Verlust ihrer Sinne (Hören, Sehen)erleben müssen.

Die Qualität des Lebens bestimmt offensichtlich, ob ein Leben lebenswert sei.

Darüber sollten wir nachdenken - mehr sage ich jetzt nicht dazu!

Diese Forschungsergebnisse können Sie nachlesen im Aufsatz von Prof. Dr. Frieder R. Lang und Dr. Roland Rupprecht aus: "Endlichkeit und Vulnerabilität in der psychologischen Alternsberatung." (2019) In R. Likar, O. Kada, G. Pinter, H. Janig, W. Schippinger, K. Cernic & C. Sieber (Hrsg.), Ethische Herausforderungen des Alters: Ein interdisziplinäres fallorientiertes Praxisbuch für Medizin, Pflege und Gesundheitsberufe (S. 143 - 153). Stuttgart: Kohlhammer."