Als ich von der Studie „Frauen wollen führen – aber unter anderen Vorzeichen" von Lilian Gehrke-Vetterkind hörte, hatte mich gleich interessiert, ob es Unterschiede in der Einstellung zwischen älteren und jüngeren Frauen gibt. Lilian Gehrke-Vetterkind, 42 Jahre und wohnhaft in Stuttgart, ist Systemische Beraterin für Organisationsentwicklung und Chance-Management, Beratungsschwerpunkte: Diversität und Unternehmenskultur. Ich habe die sympathische junge Frau vor einigen Tagen gefragt, worum es ihr in der Studie ging und hier ist ihre Antwort:
„Obwohl Frauen ihren männlichen Kollegen in Bezug auf Kompetenz und Potential in nichts nachstehen, sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Ziemlich sicher liegt es nicht daran, dass sie keine Führungsqualitäten hätten. Mich hat interessiert, an was es noch liegt, außer an den bekannten Gegebenheiten, nämlich dass es gewisse Vorbehalte in Bezug auf Frauen und deren Führungskompetenzen gibt, Männer oftmals hauptsächlich Männer einstellen und es Frauen nachgesagt wird, dass sie gar keine Führungsverantwortung übernehmen wollen.
Bei meiner Studie bin ich auf viele spannende Antworten gestoßen, als ich im letzten Sommer 50 Frauen (zwischen 24 Jahren und 59 Jahren) dazu zu befragte: „Was müsste sein, damit du mit einem guten Gefühl eine Führungsposition einnehmen würdest?" Die Frauen waren aus unterschiedlichen Branchen, unterschiedlicher sozialer Herkunft und mit und ohne Familie.
Besonders interessant waren auch die Antworten der Frauen über 50. Hier sind einige wichtige O-Töne der Frauen zusammengefasst:
Bettina, 53 Jahre:
„Im Zusammenhang mit einer Führungsposition ist mir wichtig, dass unternehmerische Entscheidungen im Führungskräfte-Bereich gemeinsam getroffen werden. Außerdem fände ich das Modell „Doppel-Spitze" oder auch „Führen in Teilzeit" sehr attraktiv. Denn für mich zählt im Leben nicht nur die Karriere, sondern auch meine Familie, Freunde und mein Ehrenamt spielen eine wichtige Rolle. Ich denke, das Team besteht aus mündigen Menschen, die selbst Entscheidungen im Rahmen ihrer Position treffen können. Da braucht es dann nicht rund um die Uhr eine Chefin. Es braucht mehr Zutrauen in die Leute. Und so würde ich meine Rolle als Führungskraft auch verstehen: Den Menschen Vertrauen schenken, dass sie ihren Job gut machen. Der eigene Gestaltungspielraum sollte eine große Rolle einnehmen, also mein eigener und der der Mitarbeitenden. Und eine Fehlerkultur ist wichtig."
Doris, 56 Jahre:
„Ich will wirklich führen und nicht managen. Das Wichtigste ist doch, die Menschen in ihren Stärken zu befähigen und sie zu unterstützen, gute Arbeit zu machen. Mir wäre ein Führen auf Augenhöhe wichtig und ein achtsamer Umgang mit den Menschen. Außerdem bin ich totaler Fan von konstruktivem Feedback. Dinge sollen offen angesprochen werden, geklärt werden und dann aber auch als erledigt betrachtet werden. Psychologische Sicherheit im Unternehmen ist mir total wichtig. Dazu gehört ein wertschätzender Umgang mit allen Menschen und Offenheit und Transparenz über das, was im Unternehmen geschieht."
Karin, 59 Jahre:
„Ich übernehme sehr gerne Verantwortung. Doch die typischen Führungskräfte-Aufgaben wie Urlaube genehmigen, Verwaltungsaufgaben, Jourfixe planen - also viele operative Tätigkeiten - möchte ich gar nicht ausführen. Ich würde mich sehr gerne auf die reinen Führungstätigkeiten fokussieren. Nämlich die Begleiterin für die Menschen sein, ihnen den Boden bereiten, das Beste aus sich herauszuholen. Ich würde mich wie eine Gärtnerin sehen, die sich um ihre Pflanzen kümmert. Außerdem fände ich es total wichtig, dass man nicht immer nach den Arbeitsstunden schaut, sondern nach dem, was wirklich geleistet wird. Was kommt denn am Ende der Woche wirklich bei raus? Ich bräuchte für mich und das Team die Möglichkeit Zeit flexibel einzuteilen und wünsche mir auch mehr Flexibilität in Bezug auf den Arbeitsort. Ich würde gerne mehr selbst entscheiden, wie und wo ich arbeite. Und gleiches würde ich auch dem Team zugestehen."
Und wie interpretierst du diese Aussagen, wie ordnest du diese in Bezug zu den jüngeren Frauen ein?
„Es ist deutlich, dass auch Frauen aus der Generation der Baby-Boomer ähnliche Vorstellungen in Bezug auf die strukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen in Unternehmen haben wie ihre jüngeren Kolleginnen. Es gibt bezüglich des Alters keine relevanten Unterschiede bei den Präferenzen der Frauen in Bezug auf Führungsverantwortung. Insgesamt lässt sich darum für alle abschließend zusammenfassen:
Frauen würden durchaus gerne Führungsverantwortung übernehmen. Doch sie legen die Schwerpunkte anders.Gesellschaftliche Anerkennung, Status-Symbole (wie ein Dienstwagen oder ein Einzel-Büro) sowie ein sehr hohes Gehalt spielen für Frauen keine ausschlaggebende Rolle.Auch Macht zu haben ist Frauen nicht so wichtig. Sie finden es gut, Einfluss zu haben, doch diese Form der Macht, anderen zu sagen, was gut und richtig ist und was sie tun sollen – das ist für Frauen nicht sehr bedeutsam.
Sie wünschen sich eine vertrauensvolle Atmosphäre im Unternehmen, wollen respektvollen und wertschätzenden Umgang untereinander, der auch zulässt, dass man offen über Missgeschicke und Probleme spricht. Machtspielchen untereinander oder sich vor dem Management zu profilieren ist weniger das, was Frauen interessiert. Sie setzen auf Zusammenarbeit untereinander und weniger auf ein „sich durchboxen".
Gegenüber dem Team sehen sie sich stärker in der Rolle als Förderin und Coach. Dabei geht es ihnen darum, die Menschen, die sie führen, in ihren Stärken zu unterstützen, und sie auf die Positionen zu setzen, in denen sie ihr Potenzial am besten ausspielen können. Und auch die Idee, Verantwortung zu teilen, gefällt ihnen gut, also z.B. mit einer Doppelspitze zu führen. Führen in Teilzeit halten viele auch für möglich – wenn das Team einen hohen Reifegrad hat, also auch eigenverantwortlich agiert und die Mitarbeitenden auch bereit sind, selbst Lösungen zu entwickeln."
Ich finde diese Studie wirklich wichtig und interessant. Vielen Dank liebe Lilian für deine Ausführungen und viel Erfolg weiterhin! Diskussionswürdig finde ich den Punkt, dass Frauen differenzieren zwischen Macht und Einfluss. Und ich kann es gut nachvollziehen. Damit fokussieren sie wohl mehr auf die Effizienz ihrer Arbeit als um ihr „IMAGE", das mit Statussymbolen aufpoliert wird. Dennoch ist es für mich überraschend: Ein sehr hohes Gehalt scheint für Frauen keine ausschlaggebende Rolle zu spielen. Aber meine Damen: Warum eigentlich nicht?
Für alle Interessierten geht es mit diesem direkt zur Studie: www.femaleleader.info