Ich bin aus verschiedenen Gründen schon lange keine TATORT Zuschauerin mehr. Für manche ist der Sonntagabend allerdings heilig. Den Tatort „Im toten Winkel" habe ich also natürlich verpasst, wurde allerdings daraufhin angesprochen: Was halten Sie davon Frau Wagner? Kurz zum Thema: Korruption und Betrug bei gewerblichen Pflegedienstanbietern, und dies zusammen mit Behörden oder auch Privatpersonen. Darüber habe ich schon einiges gelesen, auch Ihnen wird das Thema nicht unbekannt sein! Mein Fachgebiet ist es allerdings nicht, darum halte ich mich hier sehr zurück.
Es geht um drei Familien: Ein über 80jähriger Ehemann erstickt seine schwer demenzkranke Ehefrau, die er allein und mit nur wenig Hilfe von außen aufopfernd pflegt,mit einem Kissen im Bett. Die geplante Selbsttötung danach misslingt allerdings, er muss erst einmal weiter leben.
Eine Tochter pflegt ihre demenzkranke Mutter, die Beurteilung zur Einstufung in eine höhere Pflegestufe wird verweigert, Geld fehlt. Die völlig überlastete Tochter schlägt manchmal ihre Mutter im Affekt. Gewalt zwischen Pflegenden und zu Pflegenden in der Familie aber auch im Heim - auch darüber hat man schon gelesen.
Ein junger Mann mit einem circa achtjährigen Sohn pflegt seine junge Frau Zuhause wegen eines schweren Gehirnschadens nach einem Unfall. Ganztätige Intensivpflege kommt, allerdings nicht ausreichend qualifiziert, die Papiere sind gefälscht. Doch das will ihm die zuständige Behörde erst einmal nicht glauben. Seine Frau wäre wegen eines Fehlers der Pflegerin fast gestorben.
Ich unterstelle dem Bremer Tatortteam erst einmal, dass sie ordentlich recherchiert haben. Allerdings ist mir kein Fall bekannt, wo ein Ehemann seine demenzkranke Frau tötete und danach sich selbst. Das will aber nichts heißen. Gefälschte Papiere vom Pflegedienstpersonal aus dem Ausland - davon habe ich gehört.
Circa 73% aller Pflegefälle in Deutschland werden in und von ihren Familien gepflegt. Bei meinen Vorträgen schätzen die meisten das Verhältnis umgekehrt ein. Und so wie über die Pflege in Heimen gesprochen wird, kann dieser Eindruck durchaus entstehen. Die Anforderungen an die Pflegenden in den Familien werden erst seit kürzerer Zeit mehr und mehr thematisiert - endlich!
Dass diese Leistung eine schwere, selbstaufopfernde Aufgabe ist, die darüber hinaus nicht ordentlich bezahlt wird - das wird wohl niemand bezweifeln. Und dass die Pflegenden mehr Hilfe, Auszeiten, Ansprechpartner brauchen - das wird auch zunehmend mehr verstanden. Man kann nur hoffen, dass hier auch mehr Hilfsangebote kommen.
Doch welchen Eindruck hinterlassen diese drei Extremfälle bei denen, die noch niemanden pflegen? Führt das nicht dazu, dass man allein beim Gedanken daran, sich persönlich um Eltern, Ehemann oder wen auch immer zu kümmern - dass nun schon im Vorfeld eine Angst geschürt wird? So im Sinne: „Wenn das nötig sein sollte, ich denke nicht mal dran...?"
Gibt es nicht auch Fälle, wo es - bei allem Respekt den Belastungen gegenüber - auch machbar ist?
Dieser Tatort konzentrierte sich mit aller Kraft auf den „schlimmsten Fall". Manchmal muss das dramaturgisch sein. Ob es unseren „Altersbildern" und den „Ängsten vorm Altern" hilfreich ist - ich weiss es nicht!
Unter diesem LINK können Sie den Tatort in der ARD Mediathek "Nachschauen"!
Haben Sie diesen Tatort gesehen?
Was meinen Sie dazu?
Ihre Erfahrungen interessieren mich sehr!
Sehr liebe Grüße von Ihrer Dagmar Wagner