Bei meiner biografische Arbeit spielen Erlebnisse aus dem zweiten Weltkrieg immer wieder eine große Rolle. Dabei handelt es sich oft um die Kriegskinder von damals, also der Generation zwischen 1930 und 1945, die als Kinder für das damalige politische Geschehen in keiner Weise verantwortlich waren. Unausgesprochene und unverarbeitete traumatisierende Kriegs- und Fluchterlebnisse bestimmen hinterher unbewußt ihr ganzes Leben.
Sabine Bode hat bereits 2004 unter dem
Titel: Die vergessene Generation - Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen
ein Buch über diese heutigen 68 bis 83 jährigen Kriegskinder verfasst.
Sie beschreibt diese Generation unter anderem so:
„Hier handelt es sich um eine große Gruppe von Menschen, die in der Kindheit verheerende Erfahrungen machte, aber über Jahrzehnte in der Mehrzahl eben nicht das Gefühl hatte, etwas besonders Schlimmes erlebt zu haben. Denn es fehlt ihnen der emotionale Zugang zu diesen Erfahrungen und damit auch den Zugang zu den wichtigsten Prägungen.“ (Sabine Bode: Kriegsenkel, S. 25)
„Den meisten Kriegskindern gelang es, vor allem auch durch unermüdliches Arbeiten, ihre Schreckenserinnerungen auf Abstand zu halten.“ (Sabine Bode: Kriegsenkel, S. 26)
Nach dem Motto, froh sein zu müssen, überlebt zu haben, sollten sie nach vorne schauen, und wurden zur gut funktionierenden, nie jammernden und nicht nachfragenden Generation des Wiederaufbaus. Doch viele ihrer verschlossenen Erinnerungen traten im Alter mehr und mehr hervor. Der WDR hat am 16.5.2013 genau darüber einen beeindruckenden Dokumentarfilm gedreht:
Kriegskinder - Wie die Angst in uns weiterlebt.
Über diesen Link können Sie den 43minütigen Film nochmals im Internet sehen. Eine Empfehlung für alle, für die dieses Thema eine Bedeutung hat.
Auf das Buch von Sabine Bode über die Kriegskinder folgten viele Reaktionen. Besonders überraschend aber war, dass sich viele Kinder von Kriegskindern meldeten, die über Schwierigkeiten und Unverständnis zwischen den Generationen berichteten. Es sind vorwiegend Angehörige der 1960er Jahrgänge. Mittels dem Buch verstanden sie nun zum ersten Mal ihre Eltern und ahnten die Ursachen dafür. Denn in vielen Kriegsenkeln lebt das Grauen und das Trauma der Eltern heute noch weiter. Genau das meint der Begriff vom „Generationentransfer“ oder „transgenerationale Weitergabe“, der sich durch die Trauma- und Holocaustforschung als wissenschaftliche Tatsache belegen lässt. Das bedeutet, dass die unverarbeiteten Erlebnisse der Kriegskinder auch wieder das Leben ihrer eigenen Kinder, der Kriegsenkel, unbewusst beeinflusst hat.
2009 schrieb Sabine Bode schrieb darum das Buch:
Kriegsenkel - Die Erben der vergessenen Generation.
Viele von ihnen beschreiben die schwierige Beziehung zu den Eltern, in der oft Nähe und Verständnis fehlen.
Wer sich über die Erfahrungen der Kriegsenkel informieren oder austauschen möchte, dem sei folgendes Internetforum ans Herz gelegt:
Forum Kriegsenkel.
Ich selbst habe all diese Themen während meiner biografischen Arbeit selbst erlebt und erfahren dürfen, wie durch die biografische Aufarbeitung die Generationen wieder zusammenfanden und sich daraufhin viel Heilung und Nähe entwickelt hat. Das Studium der beiden Bücher sowie des WDR-Films sei all jenen, die sich mit dem Thema befassen, darum sehr ans Herz gelegt.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!
Schöne Pfingsten und meine besten Wünsche!
Ihre Dagmar Wagner