Klassentreffen sind Biografiearbeit vom Feinsten! Erzählt man Außenstehenden, dass man zum Klassentreffen fährt, dann sind die Reaktionen immer eindeutig: "Ah, oh, wie schön!" Und hinterher sind alle neugierig und fragen natürlich nach, wie´s war!
Ja, auch ich liebe Klassentreffen. Aber es nicht jedermanns Sache. Auch bei uns gibt es einige, die damit einfach nichts "am Hut" haben. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Vielleicht hatte manche(r) einfach keine gute Zeit als Schüler(in) und demzufolge nun auch keine guten Erinnerungen. Warum soll man sich das also nach Jahrzehnten noch antun? Manchen ist es vielleicht auch einfach nur egal, kein Interesse, was soll´s! Nicht jeder hat Lust, die Klassenkamerad(inn)en von früher wiederzusehen. Oder es ist zu aufwendig!
Klassentreffen sind Zeitreisen. Und eine Chance. Manche Eindrücke von früher können gerade gerückt werden. Wenn man hört, wie andere bestimmte Erlebnisse, Umstände oder Personen erlebten, und diese Schilderungen nicht unbedingt mit den eigenen Erinnerungen übereinstimmen, dann kann so manches Selbst- oder Fremdbild korrigiert werden - und das meist zum positiven hin. Manche erlebten sich vielleicht als ängstlich, zurückgewiesen, waren schüchtern und fühlten sich unterdrückt. Da kann ein Blick von außen schon hilfreich und korrigierend sein, wenn andere einem spiegeln, dass sie dieselbe Person als selbstbewusst und eher stark erlebten.
Grundsätzlich aber gilt: Unsicherheit gehört zur Kindheit und Jugend dazu. Ich denke, da war niemand frei davon.
Klassentreffen bringen auch viele Erinnerungen zurück. Vor allem hinterher öffnen sich Türen im Gedächtnis und einiges wird wieder präsenter. Auf diese Weise verlieren wir beim Älterwerden nicht den Zugang zu den natürlich sonst schon längst eher fast verschütteten Erinnerungen - und das ist wichtig und gut so.
Wer Klassentreffen nur aus der Warte sieht, den anderen beim Älterwerden zuzuschauen: Wer sieht wie aus, hat sich wie gehalten? Naja - auch mit dieser oberflächlichen Einstellung kann man diesen Termin "absolvieren". Aber ob das viel bringen wird, das weiß ich nicht. Zum Glück läuft das bei meinen Klassentreffen nicht so ab: Natürlich und herzlich geht es zu. Da geht nix mit mein Auto, mein Haus, mein Boot, meine hochbegabten Kinder, mein(e) Geliebte(r)...Darum freue ich mich auch immer drauf und fahre die 400 Kilometer gerne.
Es ist beeindruckend, dass man sich halt immer noch "kennt", ohne dass man sich noch nahe stehen muss. Es sind Menschen, mit denen man über Jahre eine wichtige Lebensspanne geteilt hat, ganz egal wie man diese nun fand.
Der Austausch von Erinnerungen zu einer gleichen Lebensphase zeigt uns auch, wie brüchig und unzuverlässig unsere eigenen Erinnerungen sind!
Wie haben Sie Ihre Klassentreffen erlebt? Schreiben Sie mir! Ich freue mich auf Ihre Geschichte!
Alles Gute von Ihrer Dagmar Wagner