1A! Ein Bravissimo an die Stadt Wächtersbach. Die Rettungssanitätter sind in der Feuerwehr untergebracht. Der Notruf, den man ja zuerst wählt, macht einen super Job mit ruhigen Fragen und konzentrierten Anweisungen - so wie es sein soll. Man muss natürlich auch selber die Ruhe bewahren. Die Sanitäter mit Notarzt sind ratzfatz da! So eine Versorgung zu wissen, wenn man hochatrige Eltern hat, ist eine große Beruhigung.
Erster Tipp: Halten Sie Krankenkassenkarte, den Medikamentenplan und eventuelle ärztliche Gutachten des Patienten bereit. Dann müssen Sie nicht erst suchen, denn danach wird garantiert gefragt.
Zweiter Tipp: Bleiben Sie ruhig und stark. Wachsen Sie über sich hinaus, es geht nicht um Ihre Ängste. Lassen Sie die Leute ihren Job machen, sie wissen ganz genau, was sie tun. Beruhigen Sie die Person, die "notfallversorgt" wird. Streicheln Sie die Person und reden Sie beruhigend auf sie ein. Muss der Patient ins Krankenhaus, fährt man meistens mit dem eigenen Auto hinterher. Manchmal darf man im Krankenwagen mitfahren. Sie müssen entscheiden, wie fahrtüchtig Sie sind. Nicht, dass Sie vor lauter Aufregung selber einen Unfall bauen.
Dritter Tipp: Wenn es Ihre Geldbörse erlaubt, halten Sie immer ein Trinkgeld für die großartigen Helfer bereit, auch für den Arzt. Keiner von ihnen verdient gut, und alle freuen sich immer über die kleine Wertschätzung, auch wenn sie immer sagen: "Das ist nicht nötig!" Ich finde: Ja, das ist nötig, dieses kleine Dankeschön! Ich spar dann lieber woanders.
2. Notaufnahme
Eines müssen Sie wissen: Ein Aufenthalt in der Notaufnahme dauert STUNDEN. Das bedenken Sie bitte, wenn Sie sofort hinterher fahren. Ich war sicherlich 7 Mal in der Notaufnahme, entweder mit meiner Mutter oder mit meinem Vater. In der Notaufnahme geht es nicht selten um Leben und Tod. Darum wird nach Dringlichkeit behandelt und nicht nach dem Zeitpunkt des Eintreffens. Bis alle notwendigen Untersuchungen gemacht, und eine Entscheidung getroffen wurde, ob ein Patient im Krankenhaus bleiben muss, können Stunden vergehen. Ich saß schon 12 Stunden mit meiner Mutter in der Notaufnahme. Hochaltrige Menschen werden dort genauso behandelt wie alle anderen auch, es gibt keine Bevorzugung. Darum:
Erster Tipp: Nehmen Sie Wasser und auch etwas zum Essen mit. Meine Mutter bekam 10 Stunden nichts zu trinken, kein Patient bekam das. Erst als ich nach Essen fragte - die Cafeteria war nämlich geschlossen - hat man irgendwo eine belegte Semmel aus einem Kühlschrank geholt. Diese Form von Versorgung ist in der Notaufnahme nicht vorgesehen. Vielleicht auch verständlich, denn bei manchen Untersuchungen kann ein gefüllter Magen von Nachteil sein, wenn´s z.B. um eine Not-OP geht.
Zweiter Tipp: Trauen Sie sich, nachzufragen! In der Notaufnahme herrscht immer Hektik. Sie werden ständig das Gefühl haben, dass es die Schwestern und Ärzte nervt, tun sie es trotzdem - natürlich höflich und nicht alle 5 Minuten. Irgendwann heisst es dann schließlich: "Ich hole jetzt mal einen der Ärztinnen für Sie!"
Dritter Tipp: Manche Notaufnahmen lassen die Begleitung von Patienten nicht zu. Bestehen Sie drauf. Denn hochaltrige Menschen in einer gesundheitlichen Extremsituation können gar nicht für sich sprechen. Wenn sie zum Beispiel auf die Toilette müssen. Machen Sie dem Personal klar, dass Sie sich unauffällig verhalten und nicht im Weg rumstehen werden, aber ihre Angehörigen keinesfalls alleine lassen. Besonders demenzkranke Menschen können das alles gar nicht einschätzen. Sie brauchen eine vertraute Person um sich.
3. Haus- und Fachärzte
Schon im ersten Teil habe ich es angesprochen: Die medizinische Behandlung hochaltriger Menschen erfordert besonderes Wissen, was in der Regel ein Geriater (Fachärzte für Altersheilkunde) hat. Die aber sind rar gesät. Aber natürlich hat jeder Arzt auch Erfahrungen mit hochaltrigen Menschen gesammelt, insofern darf man darauf vertrauen. Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkte, Diabetes etc - das sind einige die typischen Alterskrankheiten. Damit kennen sich unsere Ärzte aus. Liegen aber mehrere Erkrankungen vor (Multimorbidität) ist ein Besuch beim Facharzt für Geriatrie ratsam.
4. Behandlung von Demenz und Depressionen
Eine große Herausforderung ist die Diagnose, ob eine Depression vorliegt oder eine Demenz (und dann welche) oder sogar beides. Hier müssen Sie sich von Psychiatern und Neurologen beraten lassen. Manchmal geht einer Demenz eine Depression voraus und manchmal ist es umgekehrt. Und nochmal: Eine Depression ist heute gut mit Medikamenten heilbar oder "einstellbar". Das größte Problem ist, das Wort DEPRESSION und DEMENZ überhaupt auszusprechen. Auch der Besuch eines Psychiaters wird nur von wenigen gewagt. Da ist viel Scham im Spiel. Auf alle Fälle gilt: Es ist nicht normal, dass man im Alter halt einfach trauriger oder apathischer wird, was übrigens nicht dasselbe ist. Das meinen nämlich viele: "Das ist im Alter halt so, weil es dann alles nicht mehr so schön ist." Ein klares NEIN - es ist nicht normal. Depressionen nehmen im hohen Alter nicht zu, schwere Depressionen nehmen sogar eher ab. Apathie muss klar abgegrenzt werden von einer Depression, und kann auch eine Medikamentennebenwirkung sein. Sie merken schon - alles nicht so einfach! In Folge 3 nenne ich Ihnen ausführlicher, wo Sie sich Hilfe holen können.
PUH, jetzt wird´s komplex. Ich habe gelernt, dass die Schwestern nicht verpflichtet sind, hilfsbedürftige Patienten zu Duschen. Keine Zeit! Aber als Angehörige dürfen Sie das übernehmen. Das Personal freut sich über diese Hilfe.
Wenn Ihre hochaltrigen Angehörigen entlassen werden aber Zuhause besondere Unterstützung brauchen, dann müssen Sie das vorher rechtzeitig dringend mit den Ärzten klären: Ist ein Rollator, ein Treppenlift, Duschhilfe etc nötig? Jedes Krankenhaus hat einen Sozialen Dienst, die können das alles für Sie VORAB arrangieren. Sonst müssen Sie zuhause erst mal recherchieren: Woher bekomme ich all diese Hilfsmittel? Denn: Sie bekommen von der Krankenkasse ganz bestimmte Geschäfte VORGESCHRIEBEN, bei denen Sie kaufen MÜSSEN! Manchmal dauert es dann, bis der Rollator kommt. Also ganz früh all das überlegen und mit dem Sozialen Dienst besprechen.
Und noch wahnsinnig WICHTIG:
Der Sozialdienst KANN DIREKT AUS DEM KRANKENHAUS eine Pflegestufe benatragen. Da bekommen Sie in der Regel sofort Pflegegrad 2 und haben Zugang zu den Hilfeleistungen der Pflegekasse. Haben Sie das nicht, warten Sie Monate auf die Zuteilung des Pflegegrads, weil der Medizinische Dienst oft 6 Monate braucht, um einen Termin zu vergeben. Dann zahlen Sie ALLES VORAB PRIVAT! Und bekommen erst später das Geld zurückerstattet.
Bemühen Sie sich bei Ihren Besuchen, Ihre Patienten zu mobilisieren, gehen Sie ein Stück mit Ihnen. Achten Sie auch darauf, dass sie genug trinken, zumindest, wenn Sie dabei sind. Das Personal hat einfach keine Zeit, das zu kontrollieren.
Und: Lassen Sie sich von den Ärzten genau aufklären, und überlegen Sie sich vorher Ihre Fragen. Überlassen Sie diese Gespräche nicht alleine den hochaltrigen Patienten. Ein kranker Mensch hat Angst und hört nur, was er hören will. Und außerdem sind sie bei Arztgesprächen selber oft so aufgeregt, dass sie sofort alles wieder vergessen. Das habe ich bei meinen Eltern jedes Mal gemerkt, wenn ich nach der VISITE fragte.